Kopf der Woche

Morningstar-Analyst: "Wir sind nicht begeistert von Google und Baidu"

30.08.10 06:00 Uhr

Pat Dorsey wandelt auf den Spuren von Börsenlegende Warren Buffett. Im ­Interview verrät er seine Favoriten – Einstiegsgelegenheiten sieht er unter anderem bei US-Finanzwerten.

Werte in diesem Artikel
Aktien

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235,30 EUR 0,30 EUR 0,13%

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43,85 EUR 0,04 EUR 0,08%

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232,20 EUR 0,50 EUR 0,22%

24,06 EUR -0,07 EUR -0,27%

162,30 EUR -1,32 EUR -0,81%

90,43 EUR -0,64 EUR -0,70%

68,01 EUR -0,25 EUR -0,37%

Indizes

44.148,6 PKT -99,3 PKT -0,22%

21.764,0 PKT 395,8 PKT 1,85%

20.034,9 PKT 347,7 PKT 1,77%

16.916,0 PKT -62,0 PKT -0,37%

2.971,9 PKT 32,2 PKT 1,10%

6.084,2 PKT 49,3 PKT 0,82%

von Tim Schäfer, New York

Gute Unternehmen verfügen über „Burggräben“. Im übertragenen Sinn sind das Wettbewerbsvorteile, die die Konkurrenz auf Distanz halten. Unternehmen zu identifizieren, die diese Qualität haben, und deren Aktien zu einem angemessenen Preis zu erwerben, ist der Grundstock vieler Vermögen, die an der Börse gemacht wurden. Wer beim Investieren zu geizig ist, kann Gelegenheiten verpassen. Sogar Warren Buffett, der drittreichste Mann der Welt, hat sich einst zu viel Sparsamkeit geleistet. Auf Buffetts Value-Strategie basiert das Rating des Researchhauses Morningstar in Chicago. Chefanalyst Pat Dorsey hat es maßgeblich entwickelt.

€uro am Sonntag: Sie besuchen seit Jahren die Hauptversammlungen von Buffetts Firma Berkshire Hathaway. Verfolgen Sie die Value-Anlagestrategie im klassischen Sinn?
Pat Dorsey: Wir sind natürlich sensibel bei Bewertungsfragen. Am liebsten kaufen wir eine Aktie im Wert von einem Dollar für 70 Cent, so wie jeder andere Investor auch. Wir sind jedoch keine Value-Anhänger im klassischen Sinn. Ich glaube, dass die traditionellen Vertreter der Value-Anlagestrategie wie Benjamin Graham in erster Linie auf den Preis achten. Die Qualität folgt dann an zweiter Stelle. Es besteht also eine Lücke zwischen beiden Kriterien.

Was ist Ihnen wichtiger?
Wir betrachten den Preis und die Qualität auf der gleichen Ebene. Für eine höhere Qualität zahlen wir gern mehr. Wir wissen nämlich, dass heute gute Unternehmen mehr wert sind, da die künftigen Kapitalflüsse entsprechend höher ausfallen werden. Sie zahlen ja auch mehr für einen Mercedes als für einen Pontiac.

Value Investing kann gefährlich sein: Eigentlich gibt es doch immer einen Grund, warum eine Aktie niedrig bewertet wird.
Ja, es gibt in der Tat immer einen Grund. Und natürlich kann es schwerwiegende Probleme geben. Aber wenn der Markt sagt, es gibt bei einem Unternehmen ein schreckliches Problem, es sich aber in Wirklichkeit nur um ein kleines Problem handelt, können Sie Geld verdienen. Darin besteht die Kunst.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Nehmen Sie folgenden Fall: Der Markt nimmt einen Wertabschlag vor, weil alle Welt glaubt, dass das Geschäft nicht mehr wächst. Sie stellen nun fest, dass die Firma zwar nicht mehr um 15 Prozent, vielleicht nur noch um fünf Prozent wachsen kann. Dann können Sie mit dieser Aktie gut abschneiden. Unsere Strategie geht aber weiter: Wir benutzen abgezinste Cashflow-Modelle für die Bewertung. Wir verbinden das Resultat dann mit den bekannten Kenn­ziffern wie dem Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnis. Wir finden einige Unternehmen, die werden mit dem neunfachen Gewinn gehandelt, was ein fairer Preis ist. Und ­andere, die haben ein KGV von 20 oder 25. Auch diese Firmen sind fair taxiert. Das war genau das, was Berk­shire Hathaways Ko-Vorstand Charles Munger an Warren Buffett herangetragen hat: Es geht darum, dass großartige Firmen einfach mehr wert sein können.

Welche Gefahr besteht, wenn man zu sehr auf den Preis achtet?
Warren Buffett erzählte einmal, dass er 1992 oder 1993 eine bestimmte Stückzahl von Aktien des Handelskonzerns Wal-Mart kaufen wollte. Er stoppte aber dann seine Käufe. Später gab er zu, dass ihn die­se Entscheidung einige Milliarden Dollar gekostet habe. Die hätte er verdienen können, wenn er weiter Aktien gekauft hätte. Er hatte die hohe Qualität von Wal-Mart nicht realisiert. Er ahnte zwar, dass es sich um ein gutes Geschäft handelte, in Wirklichkeit handelte es sich aber um ein phänomenales Geschäft. Buffett beharrte auf seinem strikten Preislimit und war nicht bereit, ein klein wenig mehr für die Aktie zu bezahlen. Wenn man also auf Qualität oder Wettbewerbsvorteile nicht in ausreichendem Maß achtet, kann man Chancen verpassen. Es ist nicht immer gut, eine Prämie zu bezahlen. Aber manchmal eben doch.


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Welche Aktien stufen Sie als attraktiv ein?
Wir glauben, dass einige der großen Banken günstig bewertet sind, besonders Wells Fargo. Der Markt unterschätzt die Gewinnkraft der Bank dramatisch. Wenn Sie sich beispielsweise das Kurs-Buchwert-Verhältnis von Wells Fargo anschauen und es mit anderen Banken vergleichen, dann ist die Bank teuer. Wells Fargo wird mit dem 1,3-Fachen des Buchwerts gehandelt, JP Morgan dagegen lediglich zum Buchwert.

Und was ist daran günstig?
Da kommen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt: Qualität. In der Vergangenheit hat Wells Fargo zwischen 17 und 18 Prozent Rendite auf das Eigenkapital erwirtschaftet. Das kann nun etwas niedriger ausfallen, weil die Kapitalanforderungen gestiegen sind. Aber es wird etwa sechs Prozentpunkte höher ausfallen als bei den meisten anderen Banken. Das ist der Grund, warum Anleger mehr bezahlen.

Gibt es noch andere derartige Banken?
Wir glauben, dass JP Morgan günstig ist. Die Bank of America hat eine schlechtere Qualität, ist aber noch günstiger. Sie wird ungefähr zum Eigenkapital gehandelt. Sie hat das größte Einlagenvolumen in den USA, das ist eine gute Quelle für die Kreditvergabe.

Sie sprachen in Bezug auf die Bank of America von „schlechter Qualität“ – ist das den Gewinn betreffend gemeint?
Sie waren sehr kauffreudig in den vergangenen Jahren. Es wird einige Zeit dauern, bis sie das Kreditportfolio von Countrywide, der einst größten US-Hypothekenbank, bereinigt haben. Die ebenfalls übernommene Investmentbank Merrill Lynch ist noch nicht vollständig integriert. Vorstandschef Brian Moynihan macht aber einen guten Job. Wells Fargo ist dagegen eine Maschine. Die meisten Banken sind bei Akquisi­tionen darauf fokussiert, die Kosten zu senken, meist geht es nur darum. Wells Fargo hingegen zielt auf Umsatzsynergien. Sie bringen den Bankern bei, Cross-Selling zu betreiben und ihren Kunden zusätzliche Produkte zu verkaufen. Darin sind sie sehr erfolgreich.

Wells Fargo übernahm die in der Finanzkrise gestrauchelte Bankengruppe Wachovia. Wie ist diese Übernahme geglückt?
Jeder war verunsichert, ich auch. Aber als sie Wachovia kauften, schrieben sie den Löwenanteil des Kreditbuchs ab – so hoch, dass sie nun wieder aufwerten müssen. Wells Fargo ist sehr konservativ.

Wie wichtig ist für Sie die Dividendenrendite?
Wir mögen hohe Dividenden von Firmen, die nicht so große Wachstumsmöglichkeiten haben. Für solche Firmen ist eine Dividende das Richtige. Ich möchte aber nicht, dass mir die Chicago Merchantile Exchange, die eine Rendite von 30 Prozent auf des eingesetzte Kapital erwirtschaftet, eine Dividende zahlt.

Warum nicht?
Die CME Group, wie sich das Unternehmen heute nennt, sollte das Geld besser reinvestieren, denn ich kann als Aktionär keine 30 Prozent an den Kapitalmärkten verdienen. Oder kennen Sie jemanden mit einer 20-jährigen Erfolgssträhne in dieser Größenordnung? Ich nicht. Für eine solche Firma gibt es nur eine Lösung: das Geld reinvestieren.

Was halten Sie von Aktien wie Apple oder Google? Diese Unternehmen haben in kurzer Zeit Milliardenumsätze aus dem Boden gestampft. Sind sie Ihrer Einschätzung nach zu hoch bewertet?
Apple wird unterschätzt. Wenn Sie sich das KGV anschauen, dann schauen Sie an der falschen Stelle. Der Grund ist einfach: Für das iPhone-Geschäft fließen die Vertragsraten über zwei oder drei Jahre. Apple erhält das Bargeld vorab, aber sie können nur einen Teil des Umsatzes sofort verbuchen. Das KGV sieht relativ hoch aus, aber der Cashflow ist viel höher als die aus­ge­wiesenen Erträge. Kurzum: Auf Basis des Cashflows ist Apple nicht sehr teuer.

Und wie schätzen Sie Google oder Baidu ein?
Deren Zukunft ist schwer zu prognostizieren, im Gegensatz etwa zu Procter & Gamble, Pfizer oder Wells Fargo. Man sollte vorsichtig sein, wie viel man bezahlt. Wir sind derzeit nicht begeistert von diesen Aktien. Sie sind nicht extrem überteuert, aber auch nicht unsere Fa­voriten.

Was machen Privatanleger meistens falsch?
Investments in Aktienfonds erreichten ihren Höhepunkt im Fe­bruar 2000 fast auf einem Börsen­rekordstand. Warum? Weil Aktien für eine lange Zeit nach oben liefen. Das Tief der Aktienfondsinvestments wurde Ende 2002 erreicht, genau auf dem Markttief. Im vergangenen Jahr gingen 14 Milliarden Dollar in Ak­tienfonds, in Anleihefonds flossen 400 Milliarden Dollar. Die Leute schauen auf die zurückliegenden zehn Jahre und sehen, dass Anleihen mit sechs bis sieben Prozent rentierten. Dann entscheiden sie sich einfach für Anleihen.

Ist der Privat­anleger vergangenheitsorientiert?
Ja, private Investoren machen heute genau das, was sie vor zehn Jahren hätten tun sollen. Es ist so, also ob Sie in Ihrem Auto sitzen und ständig in den Rückspiegel schauen. Die Wahrscheinlichkeit, ­einen Unfall zu bauen, ist groß. Der ­Privatanleger ist typischerweise der Letzte, der auf der Party erscheint. Er kommt, wenn schon alle angetrunken sind. Und dann macht er als Letzter das Licht aus.

Vita Pat Dorsey, Leiter Aktienresearch bei Morningstar
„Die Zauberformel des Vermögensaufbaus – die richtigen Investments finden“ heißt eines der Bücher von Pat Dorsey. Der Leiter der Aktienanalyse beim unabhängigen Researchhaus Morningstar in Chicago ist zertifizierter Finanzanalyst. Dorsey besitzt unter anderem einen Abschluss in Politikwissenschaften an der Northwestern University im US-Staat Illinois.

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